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Samstag ist das Wetter tagsüber richtig schön. Wanda und
ich verabschieden uns nach dem Frühstück von Ingo und seiner Familie
und steigen nahe bei Abersee auf. Der Weg ist steil. Meine Eselin
hat keine Bergerfahrung und nach kurzer Zeit merke ich, dass sie
skeptisch und unsicher ist. Ein kurzes, vielleicht fünf Meter langes
Stück, geht es besonders steil hoch. Wanda "zieht die Handbremse
an". Nichts geht mehr. Ich habe derartige Situationen erwartet und
bleibe ganz ruhig. Der optimalste Fall tritt ein. Mir kommen
Wanderer entgegen und ich bitte einen Mann, nur kurz hinter Wanda zu
gehen und ihr die Hand auf das Hinterteil zu legen. Es funktioniert.
Völlig problemlos bewältigt meine Eselin die Stelle und es kann
weitergehen. Wir gehen hoch bis auf 1.228 Meter zur Wetzlerhütte auf
der Niedergadenalm. Der Ausblick ins Tal entschädigt mich für die
Mühe. Wieder taucht vor mir eine steile Stelle auf. Glatter Stein.
Wenige Meter müssen bewältigt werden, oben befindet sich eine
Schotterstraße, das weiß ich. Plötzlich rutscht meine Eselin aus und
stürzt. Der Schreck fährt mir in die Glieder, kurz bin ich wie
gelähmt. Wanda bleibt liegen und im Liegen nehme ich ihr das Gepäck
ab. Sie steht auf, wir gehen ein paar Meter, sie ist unverletzt.
Gott sei Dank. An Weitergehen ist im Moment nicht zu denken. Ich
binde meine Eselstute an eine Fichte und sie beginnt zu grasen,
entspannt sich offenbar recht schnell. Ein gutes Zeichen. Mein
Adrenalinspiegel klopft mir gefühlt von innen gegen die
Schädeldecke, doch ich weiß genau, was zu tun ist. Ich schleppe das
gesamte Gepäck ungefähr 100 Meter weiter nach oben und lasse Wanda
in Ruhe unten stehen. Zurückgekehrt hoffe ich wieder auf einen
Wanderer, ansonsten will ich nach einer Pause in aller Ruhe mit
Wanda gehen, einen zweiten Versuch wagen. Tatsächlich taucht ein
Mann auf und unterstützt mich, indem er hinter Wanda hergeht.
Die Eselin fliegt geradezu ohne jegliche Probleme die steile Stelle
hinauf, mir folgend. Leider muss ich noch einmal runter, um die
Zaunpfähle zu holen. Was folgt, ist eine ausgedehnte Pause. Ich habe
einen Mordskohldampf. Die Strecke bis zur Außerlienbach-Alm ist
einfach zu gehen. Dort treffen wir einen Salzburger, der mir ein
Plätzchen für mein Zelt zur Verfügung stellt. Wanda steht im Freien,
hat aber Zugang zum Heuschober. Morgens kämen immer zwölf große
Hirsche zum Grasen, ich bräuchte aber keine Angst zu haben, so mein
Gastgeber. Der erste Tag in den Alpen liegt hinter uns, ein Tag mit
Handicaps, die wir aber gut bewältigt haben. Die Feuertaufe haben
wir also bestanden. Ich hoffe, dass meine Eselin und ich nun von Tag
zu Tag sicherer im Gelände werden. Erneut zieht ein Gewitter auf. Es
fängt leicht an zu regnen. Ich bin hungrig und müde, aber sehr
zufrieden.
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